Seminar der Agrarsozialen Gesellschaft und der LandFrauen Württemberg-Baden

Die Zukunft des Ehrenamts stand im Mittelpunkt der Fachtagung am 11. und 12. März 2024 in der der Heimvolkshochschule in Hohebuch. Die 13 Referent:innen boten einen facettenreichen Blick auf die Herausforderungen, Bedürfnisse und Chancen des Ehrenamts in einer sich wandelnden Gesellschaft. Marie-Luise Linck, Präsidentin des LandFrauenverbandes Württemberg-Baden, motiviert dazu Wege zu finden Ehrenamt attraktiv zu gestalten.

Wichtigkeit des Ehrenamts

Bundesweit sind nach Angaben des Bundesamtes für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 30 Millionen Menschen freiwillig engagiert. Allein im LandFrauenverband Württemberg-Baden bringen rund 5.000 Frauen ihr Engagement und ihre Zeit unentgeltlich in die 585 Vereine und 24 Kreisverbände ein und organisieren Bildungsangebote. Heiko Kusche vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration in Baden-Württemberg machte deutlich, dass bürgerschaftliches Engagement nicht nur eine wichtige Säule für das soziale Gefüge der Gesellschaft ist, sondern auch die Demokratieförderung und die Lebensqualität vor Ort maßgeblich beeinflusst. Vereine bieten Räume und Möglichkeiten des Lernens, der Begegnung und des Austauschs, in denen Respekt und Solidarität gelernt und gelebt werden. Kusche führte aus, dass die modellhafte Einführung der Ehrenamtskarte in zwei Städten und zwei Landkreisen derzeit evaluiert wird.

Herausforderungen des Ehrenamts

Anna Erhard von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg zeigte auf, dass Ehrenamtliche oft mehrere Engagements parallel mit einem Zeitaufwand von bis zu acht Stunden pro Woche. Trotz der Bedeutung des freiwilligen Engagements stoßen Ehrenamtliche häufig auf bürokratische Hürden sowie soziale und strukturelle Herausforderungen. Jüngere Menschen engagieren sich zunehmend in kurzfristigen, projektbezogenen Einsätzen und zeigen wenig Bereitschaft Verantwortung in Ämtern zu übernehmen. Finden kleinere Vereine keinen Nachwuchs, droht die Auflösung. Viele ältere Menschen fühlen sich von der Digitalisierung und der Nutzung sozialer Medien überfordert. Zudem gibt es Vereine ohne eigene oder frei verfügbare Räumlichkeiten, die für jede Veranstaltung Miete zahlen müssen.

Motivation und Engagement

Eine Studie des Deutschland LandFrauenverbandes (dlv) macht transparent, was Frauen über 40 und unter 40 Jahren bewegt sich zu engagieren. Dlv-Präsidiumsmitglied Jutta Kuhles verdeutlicht, dass es im Grunde wenig Unterschiede zwischen den Generationen gibt. Die Interessen sind ähnlich, die Bereitschaft, sich bis zu drei Stunden pro Woche zu engagieren, ist bei beiden Gruppen vorhanden. Für jüngere Frauen seien der Spaß am Engagement, der eigene Mehrwert und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten wichtig, außerdem spielten Vernetzung und Sichtbarkeit eine größere Rolle. Als klare Botschaft brachte sie mit: „Alte Strukturen müssen entstaubt müssen, um Zukunft gestalten zu können.“ Es brauche Möglichkeitsräume, in denen Dinge ausprobiert werden können. Um jüngere Frauen zu erreichen, seien eine frühzeitige persönliche Ansprache, Hartnäckigkeit und eine offene Willkommenskultur entscheidend.

Unterstützung und Perspektiven

Um die Motivation für ehrenamtliches Engagement langfristig zu stärken, betonte Susann Plant von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) die Bedeutung einer Anerkennungskultur. Durch positives Feedback und Unterstützung werden Freiwillige ermutigt, ihr Engagement langfristig fortzusetzen und andere dafür zu begeistern. Ein positiver Kreislauf des Engagements würde geschaffen. Die DSEE unterstützt Vereine und Ehrenamtliche mit zahlreichen Förderungs-, Beratungs- und Bildungsangeboten, sowie einer Hotline für IT-Probleme.

Um den Bedürfnissen des Ehrenamtes gerecht zu werden, braucht es auch die Unterstützung der Hauptamtlichen und der Kommunen. Die Erkenntnisse von Hans Heckert aus dem Modellprojekt „Hauptamt stärkt Ehrenamt“ sind, dass es einer engen Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamt, einer offenen Kommunikation, Transparenz und Verbindlichkeit bedarf. So konnten in der Diskussion direkt Bedarfe identifiziert werden, wie der Austausch von Best-Practice-Beispielen, z.B. zur Mitgliedergewinnung, Argumentationstrainings und Prozessbegleitung in schwierigen Situationen und ein offenes Ohr für Herausforderungen. Am Beispiel des Landkreises St. Wedel zeigt Tina Noack auf, welchen strukturellen Vorteil die Einrichtung einer Koordinierungsstelle Ehrenamt in der Kommune mit sich bringt. Hier konnte über die Ehrenamtsmesse hinaus ein breites Angebot zur Unterstützung Ehrenamtlicher geschaffen werden.

Der Ansatzpunkt von Coach Bernd Schäfer für eine intakte, lebendige und transparente Vereinskultur zwischen Jung und Alt ist ein partizipativ erarbeitetes Werteleitbild. Dieses sei der Schlüssel zur Identifikation und Verbundenheit mit dem Verein.

Vielfalt und Integration im Ehrenamt

Dr. Tobias Weidinger von der FAU Erlangen-Nürnberg beschäftigte sich mit ehrenamtlichem Engagement von Neuzugewanderten im ländlichen Raum und der Frage von Vielfalt und Integration im Ehrenamt. Sprachbarrieren, mangelndes Wissen über Möglichkeiten und Vorteile des Engagements werden als größte Herausforderungen auf dem Weg zum Ehrenamt genannt, obwohl sich viele Migrant:innen bereits in ihren Heimatländern engagiert haben und dies aus ihrer Kultur und Familie kennen. Am Anfang seien vor allem niedrigschwellige Angebote zum Mitmachen und Mitgestalten geeignet. Silvia Holzhäuser Rupprecht schildert ihre eigenen Erfahrungen als Migrantin und betonte die Wichtigkeit einer inklusiven Gesellschaft, in der auch Menschen mit Migrationshintergrund aktiv mitgestalten können. Ein Patentrezept, wie Zugewanderte für die Vereinsarbeit begeistert werden können, gibt es nicht, dafür sei die Gruppe der sogenannten Migrant:innen zu groß und divers. Aufeinander zugehen, immer wieder den Kontakt suchen und eine offene Willkommenskultur sind hier wichtige Stichworte.

Erfolgsbeispiele und Ausblick

Das Seminar schloss mit Erfolgsbeispielen und einem Ausblick auf die Zukunft des Ehrenamts. Carmen Rouhiainen berichtete von einem Ortsverein auf der Schwäbischen Alb, der durch Vernetzung und Kooperation mit anderen Akteuren Synergien schaffen konnte, die zu einer breiteren Zielgruppe, zu Arbeitsteilung und Inspiration für neue, kreative Formate führten. Sabrina Löchner und Petra Groß haben gezeigt, dass mit etwas Mut auch ein von der Auflösung bedrohter Verein in die Zukunft geführt werden kann. In kürzester Zeit haben sie es mit etwas Unterstützung geschafft, dass die Mitgliederzahl gestiegen ist, die neuen Veranstaltungsangebote gut besucht werden, die Kommunikationswege modernisiert wurden und der Verein für Jung und Alt attraktiv ist.

Zukunftsfähige Lösungen zur Revitalisierung der Vereine können miteinander entwickelt werden, um das Ehrenamt zu stärken und auch für kommende Generationen attraktiv zu gestalten. Der LandFrauenverband Württemberg-Baden setzt sich für eine flächendeckende Einführung der Ehrenamtskarte in Baden-Württemberg ein, um das bürgerschaftliche Engagement zu stärken und dessen Leistung für unsere Gesellschaft und Demokratie anzuerkennen.