„Frauen machen derzeit eine Rolle rückwärts in der Geschlechtergerechtigkeit. Im Spagat zwischen Familie und Beruf arbeiten sie seit Wochen zunehmend an ihrer Belastungsgrenze. Sie brauchen dringend Entlastung“, betont Marie-Luise Linckh, Präsidentin des LandFrauenverbandes Württemberg-Baden, zum Internationalen Frauentag. Seit über einem Jahr sind Frauen in der Familie durch „Home-Schooling“ und / oder Betreuung von Pflegebedürftigen und im Beruf durch „Home-Office“ oder in systemrelevanten Berufen besonders gefordert. Bisher erbrachten Frauen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren 2,4-mal so viel Zeit für unbezahlte Fürsorgearbeit und das 1,5-fache für Hausarbeit wie Männer dieser Altersgruppe. Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern werden in der derzeitigen Krisenzeit massiv verstärkt. Denn in der Regel sind es die Frauen, die zurückstecken. Sie leisten überwiegend die Familienarbeit und reduzieren ihren Beschäftigungsumfang. Wie können die Frauen entlastet und gestärkt werden?

Gesundheitlicher Schutz und Stärkung

Die Zerrissenheit der Mütter führt zu Erschöpfungssyndromen, Depressionen und Burnout. Die Frauen stehen vor kaum zu bewältigenden Herausforderungen. In Familien mit Kindern müssen diese wegen der Schließung von Kitas und Schulen tagsüber betreut, versorgt und unterrichtet werden. Gleichzeitig soll der Job im „Home-Office“ oder vor Ort am Arbeitsplatz erledigt und auch die Hausarbeit bewältigt werden. Die Sorge um Schließungen führt zu Unsicherheiten, damit erhöht sich der Druck, die Erwartungen gegenüber dem Arbeitgeber nicht zu erfüllen. Der LandFrauenverband Württemberg-Baden e.V. fordert verlässliche Betreuungsangebote, Flexibilität durch die Arbeitgeber und ruft Väter zu mehr Unterstützung auf. Zudem ist der massive Ausbau von Schnelltestangeboten dringend notwendig. Eine verlässliche Betreuung während der Pandemie ist notwendig, um die psychische sowie physische Belastung und auch Existenznöte zu reduzieren. Mütter sollten zu Mutter-Kind-Kuren ermutigt wer-den, um sie für den Alltag zu stärken. Durch digitale Weiterbildungsangebote hat der LandFrauenverband über sein Bildungs- und Sozialwerk seit dem Frühsommer 2020 annähernd 600 Frauen in ihrer Resilienz und in Erziehungsfragen gestärkt.

Ökonomische Sicherheit

Durch die Corona-Krise wird die traditionelle Rollenverteilung zementiert. Viele Frauen sind durch die zusätzliche Aufgabenlast unbezahlter Arbeit nicht mehr in der Lage, in vollem Umfang ihrer bezahlten Arbeit nachzukommen, was unmittelbar und langfristig erhebliche ökonomische Konsequenzen haben wird.
Die ökonomischen Folgen der Krise werden noch länger spürbar sein und wirken sich sowohl auf die Beschäftigungsverhältnisse von Frauen als auch auf ihre rentenrechtliche Absicherung aus. Die bestehende Lohnlücke zwischen den Geschlechtern wird sich durch die Corona-Krise weiter vergrößern. Vielfach arbeiten Frauen in Minijobs / Teilzeitarbeit im informellen Sektor (Einzelhandel, Gastronomie, Pflege) oder in der Schattenwirtschaft, um unter anderem die Sorgearbeit in der Familie zu leisten. Häufig sind sie nicht krankenversichert und können einen Verdienstausfall nicht abfedern. Die Entschädigungszahlungen selbst sind bei 67 Prozent des Nettolohns gedeckelt. Familien mit kleinen Einkommen kommen damit unmöglich über die Runden. Vor allem Alleinerziehende sind hier vor große Herausforderungen gestellt und leiden unter der Situation. Finanzielle Ausgleichszahlungen für Frauen und Alleinerziehende in prekären Beschäftigungsverhältnissen müssen gewährleistet sein.

Schutz vor häuslicher Gewalt

Existentielle Sorgen, Quarantäne und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit führen zu einem deutlichen Anstieg von häuslicher Gewalt. Durch die Maßnahmen wie Kontaktbeschränkung, „Home-Office“ und Kita- und Schulschließungen fallen die Verletzungen von Betroffenen niemandem auf. Die Leidtragenden sind in den meisten Fällen Frauen und Kinder. Zudem sind die ökonomischen Folgen, die besonders Frauen betreffen, drastisch und die Abhängigkeit vom Partner verstärkt sich. Aus den genannten Gründen ist es zwingend notwendig, die Arbeit von Beratungsstellen und Frauenhäusern in und vor allem nach der Krise, bedarfsgerecht auszubauen und dauerhaft sicherzustellen. Die Kontrolle muss zum Schutz der Frauen und Kinder im häuslichen Bereich gewährleistet sein.

Stuttgart, 5. März 2021